Der Wert der Logopädie

Ein Beitrag zum Tag der Logopädie

Liebe_r Leser_innen,
die Bedeutsamkeit logopädischer Interventionen wird dann evident, wenn Sprache, Sprechen, Stimme, Hören oder die Nahrungsaufnahme nicht mit der intuitiv attestierten Selbstverständlichkeit gelingen. Naturgemäß ist damit die Lobby der Logopädie leise bis kaum hörbar. Und damit entziehen sich auch die vielgestaltigen Herausforderungen, die
sich der Logopädie und damit letztlich auch der Konsiliargemeinschaft stellen, dem gesellschaftlichen Diskurs. Und das, obwohl die Disziplin bereits seit 1913 in Österreich, begründet durch Dr. Emil Fröschels, Bestand hat.

Das Lebenszeitrisiko, logopädischer Intervention zu bedürfen, ist hoch, begleiten Logopäd_innen doch Menschen jeden Lebensalters; behandeln Fütterstörungen im Säuglingsalter und Schluckstörungen am Lebensende, therapieren Auffälligkeiten im Spracherwerb, in der Stimme und beim Hören, helfen bei Redeflussstörungen und bei Sprachstörungen nach Schlaganfällen. Für jeden Anwendungsfall setzen sich Logopäd_innen das Ziel, möglichst effektiv und effizient den Lebensalltag der Patient_innen zu verbessern, ganz im Sinne der evidenzbasierten Medizin und ein
Verdienst der Verankerung als wissenschaftliche Disziplin durch die Akademisierung.

Aktuell jedoch sehen sich weite Teile der Gesellschaft mit einer dramatischen logopädischen Unterversorgung konfrontiert. Um nur ein Beispiel zu bemühen: eine der häufigsten Todesursachen in österreichischen Alten- und Pflegeheimen ist die Lungenentzündung aufgrund eines beeinträchtigen Schluckaktes: eigentlich ein klares
logopädisches Behandlungsgebiet, doch in den wenigsten Fällen findet eine logopädische Intervention statt. Darüber hinaus wird sich der Bedarf an logopädischer Versorgung in naher Zukunft deutlich erhöhen, zum einen durch die Erhöhung des Lebensalters und damit der altersassoziierten Erkrankungen mit logopädischer Indikation (z.B. Schlaganfall, Demenz, Morbus Parkinson), zum anderen durch die erhöhten Überlebensraten nach schwerwiegenden Erkrankungen (Schlaganfälle, Tumoren). In diesen Fällen fungiert die Logopädie gemeinsam mit den anderen therapeutischen Berufsgruppen als Scharnier
zwischen den initialen (intensiv-)medizinischen Bemühungen und der Wiedereingliederung in den persönlichen Alltag. Nach aktuellen Studien aus dem angloamerikanischen Raum würden auch besonders Menschen nach durchgemachter Covid 19 Infektion von logopädischen Interventionen im Rahmen der Behandlung coronabedingter Sprech-,
Stimm-, Schluck- und Atemstörungen profitieren. Diese Rolle übernehmen
Logopäden_innen in zahlreichen Ländern, wie zum Beispiel in Großbritannien und den USA, als Experten_innen in der interprofessionellen Versorgung der Coronapatienten_innen.

Wo sind die Verhinderungsgründe für eine leitliniengerechte, logopädische Versorgung zu verorten?

1) Zu Recht wurde 2012 die Logopädie als wissenschaftliche Disziplin verankert und in die österreichische Systematik der Wissenschaftszweige aufgenommen. Die jährlich verfassten Bachelorarbeiten zeigen das hohe Niveau, das mittlerweile erreicht werden konnte. Doch ist damit nur der erste Schritt getan: Während ein Bachelorstudiengang das elementare
Handwerkszeug vermittelt, bedarf es öffentlich finanzierter Masterstudiengänge, die es Logopäd_innen ermöglichen, dieses Handwerkszeug zu reflektieren und für eine bestmögliche Versorgung im Zuge der Forschung zu evaluieren oder zu adaptieren. Durch den Verzicht von aufbauenden, öffentlich finanzierten Masterstudiengängen, kann das
Potential der Akademisierung nicht ansatzweise ausgeschöpft werden.

2) Verhinderungsgründe für eine adäquate Versorgung sind sicher auch finanzieller Natur: Logopädische Therapie in der notwendigen Frequenz wäre eine zusätzliche Belastung des Gesundheitsbudgets. Dieses Spannungsfeld ließe sich entschärfen mit der Entwicklung innovativer Therapieverfahren im akademischen Umfeld, welches sich jedoch mit der
Limitierung durch fehlende Angebote an Masterstudien konfrontiert sieht. Zudem würde es einer Erhöhung der Studienplätze bedürfen.

3) Eine weitere Komponente, die einer leitliniengerechten Versorgung entgegensteht, ist die berufliche Wertschätzung. Nach einem dreijährigen Studium, einer gesetzlich verankerten Fortbildungspflicht und einer Verantwortlichkeit für sehr vulnerables Klientel wird die logopädische Therapie in einem Ausmaß vergütet, welches klar gegen das Prinzip
der Leistungsgerechtigkeit verstößt. Durch diese Faktoren erscheint der logopädische Beruf als Haupteinkommensquelle unattraktiv, häufig wird eine Teilzeitbeschäftigung gewählt. Die Folge: eine weitere Reduktion der für die Therapie zur Verfügung stehenden Vollzeitäquivalente.

Gemeinsames Schlusswort ALÖ/logopädieaustria

Der ALÖ (Ausbildung Logopädie Österreich) und logopädieaustria (Berufsverband der österreichischen Logopäd_innen) ist es ein großes Anliegen Sie bezüglich der zurzeit bestehenden Situation im Bereich der Logopädie zu sensibilisieren. Wir gehen davon aus, dass wir auf Ihre Unterstützung zählen können, um eine ausreichende und qualitativ
hochwertige Versorgung der österreichischen Bevölkerung durch logopädische Leistungen zu ermöglichen.

PhDr. Karin Pfaller-Frank,              MSc Dr. Robert Darkow
Präsidentin logopädieaustria         Arge ALÖ (Ausbildung Logopädie        Österreich)

Emil Fröschels